Früher ging Segeln so: An Bord gehen und alle bekannten Kommunikationsmittel über Bord werfen vergessen. Außer einem: dem Radio. Um den Wetterbericht zu hören. Schön über Deutschlandfunk, Langwelle, und entweder man hatte guten Empfang, oder man hatte keinen, und wenn man keinen hatte, dann ging man bedeutungsschwanger durch den Hafen, leicht gebeugt, Hände auf dem Rücken, traf andere, die auch keinen Empfang hatten, und erarbeitete sich kommunikativ die möglichen Wetteraussichten.
Fernseher, Mobiltelefon (was ist das?), Internet (hä?) – dieses ganze Zeug gab es nicht, und wenn, dann schon gar nicht an Bord. Was es dagegen gab, war die gute alte Funke. Man tauchte also in eine irgendwie antike Art des Kommunizierens ein („Knopf drücken am Hörer, sonst bist du nicht auf Sendung! Jetzt loslassen!“). Die musste man auch benutzen, wenn was Dringendes mit den Leuten an Land zu besprechen war. Also nie, denn es gab nichts Dringendes zu besprechen.
Den lieben Daheimgebliebenen war vorher eingeschärft worden: Ihr könnt uns über die „Nachrichten für Seefahrer“ eine Nachricht hinterlassen. Das wird dann über Funk an uns gesendet. DAS HÖREN DANN ALLE! Also lasst es. Wenn es also auf der Benachrichtigungsliste hieß, Segelyacht „Flause“ Delta Foxtrott sieben drei sieben drei soll mal bitte daundda anrufen, dann war mindestens einer gestorben, und man steuerte rasch den nächsten Hafen an, um mit einem Münztelefon (die Älteren unter uns werden sich erinnern) anzufen. Und entweder, es war einer gestorben, oder man erfuhr, dass Oma nur mal hören wollte, wie es so geht und ob auch alle warme Unterwäsche tragen, denn der Wetterbericht habe ja was von Sturm gesagt…., und es eigentlich es ganz aufregend fand, dass nun alle Segler im Sendebereich wissen, dass Oma eine Nachricht für die Crew der „Flause“ hat. Darauf einen Dujardin. Denn das war die Ausnahme.
Segeln war Kommunikationsfreiheit. Im Sinne von „Freiheit von Kommunikation“. Und: Freiheit von Technikgedöns, das an die Arbeit erinnert. Es gab natürlich Technik ohne Ende, gibt es immer noch, aber das ist segelspezifische Technik. Seetechnik. Segeln, das war Landtechnikgedöns hinter sich lassen. Nur Schraubenzieher waren erlaubt.
Heute, haha, ja, da hat uns die „wir machen alles im Internet“-Kultur eingeholt, und das heißt ja immer: Wir sind so blöd und machen alles selbst.
Wetterbericht im Radio gibt es nicht mehr. Kann man ja im Internet bekommen. Toll. Das heißt halt nur, dass man selbst dafür sorgen muss, dass das Internet auch funktioniert. Und alle, die mir erzählen, dass das ja nun kein Thema sei, denen sage ich: Quatsch. Dazu gehört nämlich, immer für Strom sorgen. Hürde Nummer eins, an Bord nicht ganz trivial, gerade die Geräte mit dem Apfel drauf zicken mächtig herum, wenn man sie über einen 12-V-Anschluss meint aufladen zu wollen. Also, Landstrom vorhalten, oder Motor an. Beschaulich vor Anker liegen geht anders. Das nur nebenbei. Zweitens: Prepaidkarte muss funktionieren. Diesmal zickt der Androide rum und verweigert sowohl die dänische als auch die schwedische Variante. Scheint auf deutsche Karten geeicht zu sein. Also sitzt man zwei Stunden und recherchiert mit dem Internet, das glücklicherweise zufällig am Nachbarboot vorhanden ist, woran es liegen kann, dass bei uns die Prepaidkarte nicht akzeptiert wird.
Naja, undsoweiter. Man beschäftigt sich halt damit. Es soll Leute geben, denen das Spaß macht. Mir nicht. Ich will doch nur segeln. Statt dessen wird mir klar: Geräte laden und mit Netzanschluss herumhexen wird ab sofort zu den Bordroutinen gehören. Und das schmeckt mir nicht. Noch etwas, um das ich mich selbst kümmern muss. Ich muss doch schon Pfandflaschen mit der richtigen Seite nach oben in einen stinkenden Pfandflaschenautomaten stecken und mir von dem Aufkleber auf der Maschine sagen lassen, dass es dadurch schneller ginge. Man zwingt mich also zum Arbeiten und macht mir auch noch Zeitdruck. Frechheit. Da will ich doch im Urlaub mal meine Ruhe von haben… aber nein. Noch gibt es freundliche Hafenmeister, die drucken ein bisschen Wetterbericht aus und hängen es im Hafenbüro aus, aber das ist lückenhaft, enthält die Großwetterlage nicht, etc. pp.
Also geht Segeln heute so: Man reserviert mindestens einen Tag, auch nee, besser zwei, um in jedem Land, in das man reist (Ostseesegler: also Dänemark und Schweden, mindestens) Mitarbeiter von Kommunikationsshops in die Verzweiflung zu treiben mit dem naiven Ansinnen, eine Prepaidkarte zum Laufen zu bringen. Das geht dann entweder gar nicht, oder nur in einem der fünf verschiedenen Kommunikationsgeräte, die man vorsorglich mitgeschleppt hat (nebenbei: Man schleppt also alle Laptops und Tablets, die man so hat, in den Urlaub mit, und damit auch potentiell seine ganze Arbeit, ist doch klar, außer, man kauft sich ein extra Segel-Tablet, ich bin fast so weit, ein bisschen Selbstbetrug muss sein).
Natürlich kann man auch das WLAN im Hafen nutzen. Aber nicht jeder Hafen hat ein gutes WLAN. Sprich, im Logbuch (das wir antikerweise noch auf Papier führen, auch das wird bald in die Cloud verlagert, ist doch auch schon wurscht) wird neben allem Wichtigen und Pittoresken auch stehen: Dieser Hafen hat ordentliches WLAN, oder nicht, oder nur zeitweilig, und wenn, dann wann, und auf welchen Hafenplätzen, ach, verdammt, ist das ein langweiliges Thema.
Naja, undsoweiter. Aber es ist schon bemerkenswert: Wie man sich so ohne Weiteres alles Mögliche aufhalsen lässt, das früher freundliche Menschen getan haben, die dafür bezahlt wurden. Die haben dann den Wetterbericht vorgelesen, dafür gesorgt, dass das Sendesignal ausreichend ist, zuverlässige Geräte namens Funke und Weltempfänger gebaut, die man einmal an Bord tat, und dann funktionierten sie mindestens 20 Jahre, Knopf an, Stimme kommt raus, so einfach ist das, usw. usw. Heute kümmere ich mich um diesen Quatsch selbst.
Ach ja, das Hafengeld zahlt man heutzutage auch nicht mehr bei dem netten Hafenmeister mit dem dicken Bauch und der speckigen Geldschatulle vor demselben, sondern natürlich am Automaten. Tipp: Immer gleich mehrere Kreditkarten mitnehmen, eine davon wird bestimmt akzeptiert. Manchmal auch nicht. Ein paarmal zwischen Boot und Automat hin und herrennen, um alle Kreditkarten an Bord auszuprobieren, ist übrigens ziemlich gut für den Teint. Dafür wird dann an dem Automaten für Duschkarten vielleicht eine andere Kreditkarte akzeptiert, die man gerade nicht dabei hat, weil…. Egal. Vielleicht geht das nächstens auch mit Internet, und wenn das Internet dann mal nicht geht, dann schmeißen wir einfach alles über Bord, ankern, orientieren uns an den Wolken und machen uns unseren eigenen Wetterbericht. Ahoi!